* Zur Ortsgeschichte *


Entstehung des Ortes Riddagshausen

Das Dorf Riddagshausen wurde 1146 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, als Heinrich der Löwe dem in Gründung befindlichen Kloster als Erstaustattung das Dorf Ritdageshusen mit all dessen Landbesitz und Arbeitskräften schenkte. Aus dem Ortsnamen läßt sich jedoch ablesen, daß die Siedlung vermutlich schon zwei bis drei Jahrhunderte länger existiert haben muß. Gegründet wurde sie offensichtlich von einem Mann namens Ricdagus bzw. Riddagus; dieser Vorname war noch bis zum 12. Jahrhundert anzutreffen. Die Endung "-husen" für einen Ortsnamen jedoch war in dieser Gegend nur bis zum frühen 10. Jh. "in Mode" gewesen und wurde später durch Endungen wie z.B. "-roth" ("-rode") bzw. dann im 12. Jh. durch die Endung "-hagen" abgelöst (vergl. Flechsig [1975:26]).

Anfang des 14. Jahrhunderts entstand außerhalb der Klosteranlage das Dorf Neuhof, das den heutigen Ortskern bildet. Vermutlich haben sich hier auch Bewohner der aufgelösten Bauernsiedlungen Ottenrode (das sich am Südwestrand des heutigen Ortes Gliesmarode befand - Höhe "Meyers Wiesen" - und noch heute im Namen einer Straße in Querum lebendig ist), Hünessen (am Lünischteich) und Kaunum (an der Wabe zwischen Riddagshausen und Schöppenstedter Turm gelegen, etwa in Höhe der heutigen Gaststätte "Waldfrieden") niedergelassen. 1605 gab es in Neuhof zwei große Ackerhöfe und acht Kothöfe, seit 1683 auch ein Rittergut. 1822 wurde Neuhof mit der Klosterdomäne zu einer Kirchengemeinde vereinigt, 1890 auch verwaltungstechnisch als Amtsgerichtsbezirk Riddagshausen-Neuhof.



Die Gründung des Klosters Riddagshausen wurde 1143/44 durch Ludolf von Wenden vorbereitet, bevor im Jahr 1145 die Zisterzienser aus dem Konvent von Amelungsborn einzogen und hier ihr Tochterkloster Marienzelle gründeten (das kurz darauf den Namen des benachbarten Dorfes annahm). Mit dem Bau der Kirche wurde vermutlich im Jahr 1216 begonnen, bis ca. 1240/50 waren der Chor, das Querhaus, das östliche Langhausjoch und die untere Westfassade errichtet. 1243/45 kam es zur Gründung des Tochterklosters Isenhagen, das 1259 nach Backenrode bei Hildesheim verlegt wurde und das heutige Kloster Marienrode darstellt. Vorbild der Riddagshäuser Klosterkirche war das Zisterzienserkloster Cîteaux in Burgund, wo der Orden entstanden war. Die architektonische Konzeption folgte dem Prinzip asketischer Strenge; der Schmuckreichtum anderer zeitgenössischer Bauten wurde nicht kopiert. Doch als man um 1270 begann, das Mittelschiff einzuwölben, hatte sich in der Architektur der klassisch-gotische Stil durchgesetzt, so daß im weiteren Baufortschritt zunehmend von der Idee einer reinen Zisterzienserkirche abgewichen wurde. Im Jahre 1275 schließlich - nach gut 60jähriger Bauzeit - wurde die Kirche geweiht. Das Torhaus (in dem sich heute das Zisterziensermuseum befindet) war übrigens schon Ende des 12. Jahrhunderts gebaut worden, während die kleine Frauen- bzw. Fremdenkapelle nebenan kurz vor der Fertigstellung der Klosterkirche entstanden ist.

Höhepunkte im Kirchenleben der folgenden Jahrhunderte waren der Besuch des Kardinals Nicloaus von Cues im Kloster Riddagshausen 1451 sowie die Gewährung bischöflicher Rechte (z.B. Tragen von Mitra und Ring) an den Abt von Riddagshausen durch Papst Sixtus IV. Seit 1492 (und besonders schlimm in den Jahren 1542 und 1606) kam es immer wieder zu Zerstörungen des Klosters durch Braunschweiger. (Dazu muß allerdings auch gesagt werden, daß die Welfenherzöge bei ihren Belagerungen der Stadt Braunschweig ihr Feldlager jeweils in Riddagshausen aufgeschlagen hatten, die Ausschreitungen der Braunschweiger also nicht von ungefähr kamen). Die Reformation wurde erstmals 1542 eingeführt und 1568 abgeschlossen (auch wenn es 1629-32 zu einer kurzen Phase der Rekatholisierung kam). Von 1690 bis 1809 beherbergte das Kloster ein Predigerseminar. 1856-83 gab es eine grundlegende Renovierung der Kirche, auch in den Jahren 1962-75 kam es zu Ausbesserungen und Neuausmalungen (u.a. 1972 Glockenweihe). Die Feierlichkeiten 1975 zum 700jährigen Bestehen der Kirche wurden von Pastor Armin Kraft (dem späteren Domprediger) geleitet.


Das Naturschutzgebiet Riddagshäuser Teiche

Die ausgedehnte Teichlandschaft in Riddagshausen ist auf die Tätigkeit der Zisterziensermönche zurückzuführen, die die damals sehr sumpfige Gegend entwässerten und Fischteiche anlegten. Von den ehemals 28 Teichen existieren heute noch 11, wovon der Schapenbruchteich, der Mittelteich und der Kreuzteich die größten sind. An den Teichen findet man eine reichhaltige Tier- und Pflanzenwelt vor. Viele seltene Vogelarten sind hier zu Hause, von der Krickente bis zum Eisvogel, vom Zwergtaucher bis zur Rohrweihe.

Ab dem 19. Jahrhundert setzten sich viele Persönlichkeiten aus Braunschweig und Riddagshausen für den Erhalt des Teichgebiets in seiner ursprünglichen Natürlichkeit ein, so z.B. Prof. Dr. Johann Heinrich Blasius mit seinen Söhnen, die dort umfangreiche Feldbeobachtungen durchführten, der Studienrat Gerhard Schridde oder die Familie Nehrkorn vom Klostergut Riddagshausen. Insbesondere der Bemühungen des Braunschweiger Arztes Dr. Otto Willke war es zu verdanken, daß das Teichgebiet Riddagshausen 1936 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde und einem weiteren Heranrücken der städtischen Bebauung an die Teiche auf diese Weise Einhalt geboten werden konnte (vergl. v.Frisch [1975:106]). 1962 wurden die Riddagshäuser Teiche auf Antrag von Dr. Rudolf Berndt (dem damaligen Leiter der Vogelschutzstation Braunschweig) gar in den Rang eines "Europareservates" erhoben - eine Auszeichnung, die vom Internationalen Rat für Vogelschutz nur äußerst selten vergeben wird. Mittlerweile besteht die Gefahr, daß dieser Titel wieder aberkannt wird, da die Zahl der seltenen Vogelarten, die hier brüten bzw. auf dem Durchzug rasten, rückläufig ist.


Neuere Geschichte des Ortes Riddagshausen

Im Jahre 1934 wurde Riddagshausen - zusammen mit einigen anderen, bislang selbständigen Orten - in die Stadt Braunschweig eingemeindet. Dieser Schritt war nicht unumstritten und führte zu teilweise heftigen Protesten in den betroffenen Gemeinden, die aber letztlich nichts fruchteten. Mittlerweile bildet Riddagshausen zusammen mit den einwohnerstärkeren Ortsteilen Gliesmarode und Querum den Stadtbezirk Wabe-Schunter. In Riddagshausen wohnten im Oktober 2000 genau 707 Menschen (einschließlich des statistischen Bezirks Naturschutzgebiet). Prominenteste Bewohnerin des Ortes war jahrzehntelang die Herzogin Viktoria Luise gewesen, die Tochter des letzten deutschen Kaisers Wilhelms II., die in der Bevölkerung äußerst beliebt gewesen ist. Sie starb 1980 im Alter von 88 Jahren.

Seit 1968 engagiert sich die "Bürgerschaft Riddagshausen mit Freundeskreis e.V." (zunächst geleitet vom Unternehmer Richard Borek, später von dessem Sohn Henning Borek) für den Erhalt und die Verschönerung des Ortsbildes. Ein bedeutsamer Schritt hierzu war der Wiederaufbau niedersächsischer Bauernhäuser aus Parsau, Warbsen und Wendeburg auf dem Gelände zwischen den Bächen Mittelriede und Wabe, die sich hier in Riddagshausen bis auf hundert Meter nahe kommen. Seit 1980/82 ist zudem das V.A.G. Marketing Management Institut (VW) auf dem Klostergelände in den ehemaligen Wirtschaftsgebäuden ansässig.

Zum Schluß sei ein pikantes Detail der Geschichte erwähnt, das auch vielen Braunschweigern nicht bekannt ist. In der Zeit des Dritten Reiches befand sich in der Buchhorst (gegenüber der Gaststätte Grüner Jäger im Wald gelegen) der Reichsjägerhof "Hermann Göring" mit dem Reichsfalkenhof. Der Namenspatron soll selbst öfter hier zu Gast gewesen sein. Die Skulptur der kämpfenden Hirsche am Eingang zu diesem Grundstück steht noch immer wie zur damaligen Zeit, während das Gebäude selbst (unten eine historische Aufnahme aus den 30er Jahren) heutzutage einen Kindergarten der Lebenshilfe beherbergt.

Der ehemalige Reichsjägerhof in der Buchhorst



Folgende Quellen wurden verwendet:
Werner Flechsig [1975]: Herkunft und Bedeutung der Ortsnamen; in: 700 Jahre Riddagshausen, herausgegeben von der Bürgerschaft Riddagshausen, Braunschweig 1975, S.26-30.
Otto von Frisch [1975]: Gedanken um eine kleine Graugans; in: 700 Jahre Riddagshausen, herausgegeben von der Bürgerschaft Riddagshausen, Braunschweig 1975, S. 103-108.
Peter Giesau [1992]: Riddagshausen (Kloster und Kirche); in: Braunschweiger Stadtlexikon, herausgegeben von Luitgard Camerer, Manfred R.W. Garzmann u. Wolf-Dieter Schuegraf, Joh. Heinr. Meyer Verlag Braunschweig, 1992, S. 193.
Bernd Jericho [1992]: Riddagshausen; in: Braunschweiger Stadtlexikon, herausgegeben von Luitgard Camerer, Manfred R.W. Garzmann u. Wolf-Dieter Schuegraf, Joh. Heinr. Meyer Verlag Braunschweig, 1992, S. 192-193.


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